10.06.2024
Interprofessionelles Team aus Ärzt*innen, Logopäd*innen und Fachexpert*innen der Pflege für die pharyngeale Stimulation
Diese Dysphagien gehen mit hochgradig einschränkenden pharyngo-laryngealen Sensibilitätsstörungen einher, welche durch eine konventionelle logopädische Therapie oft nur unzureichend therapierbar sind.
Bei der pharyngealen elektrischen Stimulation (PES) wird ein dünner Katheter, der mit einem Paar bipolarer Ringelektroden bestückt ist, über die Nase eingeführt. Es erfolgt eine elektrische Reizung des Zungengrunds und der Pharynxhinterwand, um so über die Fazilitation afferenter Bahnen neuromodulatorisch auf das Schlucknetzwerk einzuwirken. Dabei soll sich u.a. die Menge des Neuropeptids «Substanz-P» erhöhen, die als Biomarker nachgewiesen werden kann. Durch die Steigerung der Substanz-P mittels pharyngealer Elektrostimulation soll die Sensibilität im Rachen- und Kehlkopfbereich und dadurch auch die Schluckfunktion verbessert werden.
Nina Clobes, Leiterin der Logopädie im REHAB Basel, spricht im Video über die pharyngeale Elektrostimulation bei neurogenen Dysphagien.
Für die Implementierung der PES wurde im REHAB ein interprofessionelles Team aus Ärzt*innen, Logopäd*innen und Fachexpert*innen der Pflege geschult. Zudem wurde folgendes Stimulationsprotokoll festgelegt:
Eine Pflegefachperson legt der Patientin, dem Patienten die nasogastrale Sonde ein. Danach kann die logopädische Fachperson im Rahmen der logopädischen Therapie direkt mit der Stimulation beginnen. Das Protokoll sieht jeweils eine Stimulation à 10 Minuten an drei aufeinanderfolgenden Tagen vor. Die Stimulationsstärke wird täglich neu kalibriert. Die Stimulationen können je nach Ergebnis nochmals um drei weitere Tage verlängert werden.
Aufgrund der aktuellen Studienlage versprechen wir uns folgende Benefits durch den Einsatz dieses innovativen Verfahrens:
• frühere Dekanülierung tracheotomierter Personen
• schnellerer oraler Kostaufbau
• Reduktion der Überwachungspflichtigkeit
• ggf. kürzere Hospitalisationsdauer
«Substanz-P» ist ein Neuropeptid, das wahrscheinlich als Neurotransmitter in der Rachenschleimhaut wirkt und den Schluck- und Hustenreflex fördert. Pharyngeale Elektrostimulation führt bei gesunden Erwachsenen zu einem vorübergehenden Anstieg des Substanz-P-Spiegels im Speichel. Bisherige Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Schluckstörung nach einem Schlaganfall sowie die Häufigkeit des Auftretens von Aspirationspneumonien mit einem verminderten Substanz-P-Spiegel zusammenhängen.
Die Stimulationsstärke wird täglich neu kalibriert.
Bisher wurden acht Patient*innen mit PES behandelt. Sie leiden jeweils an einer hartnäckigen Form der Dysphagie und befinden sich bereits in einem post-akuten bis chronischen Stadium. Die Akzeptanz des Verfahrens ist gut. Bei 7 von 8 Patient*innen konnte eine messbare Verbesserung des Dysphagie-Schweregrades evaluiert werden. Wir beobachten eine verbesserte Sensibilität, die dazu führt, dass die Patient*innen häufiger schlucken. Diese Wirkung hält auch nach der Stimulation noch an, sodass wir diese Zeit für konventionelle logopädische Therapiemethoden nutzen können. Einige Patient*innen sind nach der Intervention oralisiert oder teiloralisiert, d.h. die orale Kostform konnte gesteigert werden. Bei Patient*innen, die tracheotomiert sind, haben wir Verbesserungen im Sekretmanagement beobachtet.
Nach den ersten positiven Erfahrungen wollen wir in nächster Zeit bereits zu einem früheren Zeitpunkt des Reha-Verlaufs mit der Intervention beginnen. Eine Evaluation des Programms nach einem Jahr ist geplant.
Literatur:
Increase of substance P concentration in saliva after pharyngeal electrical stimulation in severely dysphagic stroke patients – an indicator of decannulation success? Neurosignals 2018; 25(1):74-87, Muhle P, Suntrup-Krueger S, Bittner S, Ruck T, Claus I, Marian T, Schröder JB, Minnerup J, Warnecke T, Meuth SG, Dziewas R https://karger.com/nsg/article/25/1/74/379234/Increase-of-Substance-P-Concentration-in-Saliva
Pharyngeal electrical stimulation for early decannulation in tracheotomised patients with neurogenic dysphagia after stroke (PHAST-TRAC): a prospective, single-blinded, randomised trial. Lancet Neurology, 17(10), 849–859. Dziewas R, Stellato R, Van Der Tweel I, Walther E, Werner CJ, Braun T, Citerio G, Jandl M, Friedrichs M, Nötzel K, Vosko MR, Mistry S, Hamdy S, McGowan S, Warnecke T, Zwittag P, Bath PM, Braun T, Dziewas R, . . . Pfausler B (2018). https://doi.org/10.1016/s1474-4422(18)30255-2
Pharyngeal electrical stimulation for neurogenic dysphagia following stroke, traumatic brain injury or other causes: Main results from the PHADER cohort study. EClinicalMedicine, 28, 100608. Bath PM, Woodhouse LJ, Suntrup-Krueger S, Likar R, Koestenberger M, Warusevitane A, Herzog J, Schuttler M, Ragab S, Everton L, Ledl C, Walther E, Saltuari L, Pucks-Faes E, Bocksrucker C, Vosko M, De Broux J, Haase CG, Raginis-Zborowska A, . . . Investigators FP (2020). https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2020.100608
Blog-Beiträge «REHAB Know-how»
Hier präsentieren Fachpersonen des REHAB Basel vertieftes Wissen zu Themen, die in unserer Klinik für Neurorehabilitation und Paraplegiologie relevant sind. Die Beiträge richten sich sowohl an ein Fachpublikum als auch an interessierte Laien.