07.05.2023
Dass Leandro Klimmer den Unfall mit seinem Motorrad überlebt hat, ist nicht selbstverständlich. Die Verletzungen waren sehr schwer. Ein knappes Jahr später konnte er in seinen Beruf zurückkehren. Das verdankt er der interprofessionellen Zusammenarbeit im REHAB Basel. Sprechen, sitzen, gehen, den rechten Arm benutzen – das alles ist jetzt für Leandro Klimmer wieder möglich.
An den 19. Februar 2022 hat Leandro Klimmer keine Erinnerung. Das Datum wird er aber nicht mehr vergessen. In einer S-Kurve ist es passiert. Schon drei Mal war er die Strecke zusammen mit seinen Motorradfreunden gefahren, er kannte die Kurve. Und er war immer sehr vorsichtig unterwegs.
Weshalb ihm diese Stelle beim vierten Mal zum Verhängnis wurde, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Vielleicht war es ein technischer Defekt. Oder Leandro Klimmer ist erschrocken und hat zu schnell gebremst. Das Motorrad hatte kein Antiblockiersystem.
Vielleicht hat das fehlende Antiblockiersystem zum Unfall geführt.
Leandro Klimmer berührte mit seiner Kawasaki die Leitplanke, kippte um, knallte gegen die Bergwand, rutschte zurück zur Leitplanke und blieb dort mit dem rechten Arm hängen, was ihn davor bewahrte, 20 Meter in die Tiefe zu stürzen. Als die Sanitäter den Zustand des Verunfallten erkannten, forderten sie den Helikopter an. Der Transport mit dem Krankenwagen hätte zu lange gedauert.
Die Liste der Verletzungen, die am Universitätsspital Basel festgestellt wurden, war lang: offenes Schädel-Hirn-Trauma, geprellte Wirbelsäule, Gehirnblutung, Brüche eines Schlüsselbeins, dreier Rippen und eines Schienbeins sowie eine tief klaffende Wunde am rechten Arm.
«Es war nicht klar, ob ich nochmals aufwache», erzählt Leandro Klimmer, «zwei Wochen lag ich im Koma.» Die Ärzt*innen zogen in Erwägung, den rechten Arm zu amputieren, sahen aber schliesslich davon ab. «Sie hatten gedacht, dass ich zwei Finger nie mehr benutzen kann. Diese Einschätzung war zum Glück falsch.» Aus seinen Augen spricht Erleichterung.
In der Ergotherapie übt Leandro Klimmer mit Qigong-Kugeln, die Bewegungen der Finger zu koordinieren.
Nach einem Monat im Universitätsspital wurde der Patient ins REHAB Basel verlegt. Nun galt es, möglichst viel zurückzugewinnen, was durch den Unfall verloren gegangen war. «Ich musste wieder sprechen lernen. Ich habe die Wörter nicht gefunden, konnte die Sätze nicht bilden», erinnert sich Leandro Klimmer. «Ich musste im Bett liegend Übungen machen, um dann im Rollstuhl sitzen zu können. Auf meiner rechten Körperseite, vom Gesäss über den Rücken, den Arm, die Hand und die Finger, musste alles Schritt für Schritt wieder in Bewegung gesetzt werden.»
Auf das Gedächtnis war noch längere Zeit kein Verlass. «Einmal haben mich Kollegen besucht. Wir sprachen miteinander. Drei Minuten später freute ich mich, dass sie gerade gekommen sind. ‘Wir sind im Fall schon seit einer Stunde hier’, haben sie mir gesagt.»
Die Aussicht, nach der Zeit in der Klinik wieder mit den Kollegen Spass zu haben, war ein wichtiger Antrieb. Leandro Klimmer betont aber auch, wie sehr ihm die täglichen Besuche seiner Mutter geholfen haben. «Sie hat mir viel Mut gemacht, ich habe ihre Liebe gespürt», sagt er. Die ganze Familie habe ihn sehr unterstützt, alle auf ihre Weise.
Nicht zuletzt spornten ihn die Therapeut*innen im REHAB an. In den Therapien zeigte Leandro Klimmer seinen Willen und seine Ausdauer. Auf dem Programm standen Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie wegen des Sprechens, Termine in der Neuropsychologie sowie die Gedächtnisgruppe.
Es macht Leandro Klimmer sichtlich Spass, auf dem Laufband mit dem grossen Bildschirm die Therapie mit einem Spiel zu verbinden.
«In der Physiotherapie ging es oft um das Gehen, auf dem super modernen Laufband zum Beispiel. In der Ergotherapie trainierte ich unter anderem die rechte Hand und die Koordination der Finger», berichtet Leandro Klimmer. «Mir wurde im REHAB von allen Leuten sehr geholfen, in allen Fachrichtungen. Ich bin sehr froh, gab es im REHAB einen Platz für mich. Ich habe der Klinik viel zu verdanken. Es ist wie ein zweites Leben.»
Als letzte stationäre Etappe im REHAB Basel verbrachte Leandro Klimmer noch ein paar Wochen im sogenannten Übungswohnen. «Da ging es für mich vor allem um die Tagesstruktur. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, Selbstverantwortung – auch das musste ich wieder lernen.»
Seit November 2022 kommt er noch zweimal pro Woche in die Tagesklinik des REHAB. Nach wie vor stehen verschiedene Therapien auf dem Programm. Aber der Heilungsprozess ist so weit fortgeschritten, dass Leandro Klimmer ein knappes Jahr nach dem Unfall wieder mit einem kleinen Pensum in seinen geliebten Beruf zurückkehren konnte.
Leandro Klimmer ist froh, wieder mit den Kindern arbeiten zu können.
Als «FaBe» (Fachmann Betreuung) begleitet er an einer Schule Kinder, die eine zusätzliche Unterstützung benötigen. «Ich freute mich sehr auf die Arbeit mit den Kindern, wusste aber nicht, wie ich auf die Lautstärke reagiere, wenn alle Kinder in einem Zimmer sind.»
Es ist gut gegangen. Leandro Klimmer konnte sich wie früher problemlos auf seine Aufgabe konzentrieren. «Darüber bin ich sehr glücklich», sagt er, «und bald kann ich mein Arbeitspensum erhöhen.»